Wenn die Seele über den Körper nach Hilfe ruft
Sechs bis acht Kinder und Jugendliche im Alter zwischen sechs und 18 Jahren können auf der Station K7 Sternenhimmel stationär aufgenommen werden. 14 Ärzte, Fachtherapeuten, Sozialpädagogen, Erzieherinnen und Pfleger arbeiten mit den jungen Menschen zusammen.
„Da die Patienten hier schlafen müssen, haben wir meist keine unter zehn Jahren. Die meisten sind zwischen 14 und 16 Jahre alt“, sagt Ute Benz, Kinderärztin und Kinder- und Jugendpsychiaterin an der OSK, die die Station leitet. Alle Kinder besuchen außerdem die Klinikschule, damit sie den Anschluss an den Lernstoff nicht verlieren.
Die Station ist ein Kooperationsprojekt zwischen der Abteilung Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der OSK und Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters am ZfP Südwürttemberg.
Die Kinder und Jugendlichen, die stationär im Sternenhimmel aufgenommen werden, leiden in vielen Fällen an Herz-Kreislaufbeschwerden, Atemproblemen, Kopfschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden, Essstörungen, Ängsten und Depressionen. „Es kann sich sowohl um seelische Folgen einer körperlichen - vielfach chronischen - Erkrankung handeln, als auch um den körperlichen Ausdruck seelischer Störungen“, fasst Ute Benz zusammen.
Fast immer liegt die Ursache im Stress - Stress in der Schule, in der Familie, im Freundeskreis. Stress, mit dem das Kind nicht zurecht kommt. Es ist überfordert. Psychosomatische Beschwerden sind ein Signal der Seele.
Zurück zu Ben. Wenn der Arzt keine körperliche Ursachen für das Bauchweh findet, kann sich Ben in der Station für Psychosomatik untersuchen lassen. Zunächst kommt Ben in die kleine Ambulanz. Dort folgt ein Vorgespräch mit Ute Benz, bei der auch die Familie dabei ist. „Häufig ergibt sich aus dem Problem eine Spirale. Wegen des Bauchwehs fehlt das Kind oft in der Schule, kommt dann mit dem Lernstoff nicht mehr klar, hat dann noch mehr Angst, fehlt noch öfter und hat schließlich schlechte Noten“, so Benz. Zunächst findet eine umfangreiche organische Diagnostik statt. Dann muss die psychologische Diagnostik also den möglichen Grund für die Beschwerden ans Tageslicht bringen. Das klappt fast immer. Um festzustellen, ob das Kind vielleicht nicht in der passenden Schule ist, wird ein Konzentrations-, Leistungs- und Intelligenztest durchgeführt.
Zusammen werden dann Ziele gesetzt wie „ich will nicht mehr so viel Bauchweh haben“. Rund eine Woche wird der Patient dann beobachtet. Währenddessen erstellen die Ärzte ein psychologisches Profil: Was fehlt dem Kind/Jugendlichen? Wo liegen die Schwächen, wo die Stärken? Ben werden die Zusammenhänge seines Problems erläutert. Dann beginnt die Arbeit in Station K7. „Wir helfen dem Patienten im Umgang mit seinem Problem und zeigen Lösungen auf. Es geht aber auch vor allem um die Stärkung des Selbstvertrauens und den Motivationsaufbau“, so Ute Benz. Gemeint ist hier Mut machen, sich mit sich selbst zu beschäftigen oder Mut machen, sich selbst kennenzulernen.
Die Aufgaben werden so gestellt, dass sie für die Patienten machbar sind und zu einem Erfolgserlebnis führen. Der Gedanke „ich versage“ soll nicht aufkommen. Letztlich muss sich das Kind oder der Jugendliche aber den Problemen stellen, muss Herausforderungen meistern und muss das tun, was ihm Angst macht. Ganz eng mit im Boot: Die Familie, die sich auf die Situation einstellen, oder etwas am Leben ändern muss.
Die Patienten arbeiten unter anderem mit Musik- und Ergotherapeuten zusammen - viel wird in der Gruppe erreicht. Auch der Therapiehund ist beliebt. Bis zu dreimal die Woche nehmen die Patienten an therapeutischen Sitzungen teil. „Wir frühstücken zusammen, kochen zusammen, die Kinder lernen ein Stück weit, sich selbst zu versorgen“, so Benz.
Für Diagnostik und Behandlung bleiben die Patienten in der Regel vier bis sechs Wochen auf der Station, die Therapiedauer kann sich je nach Ziel verlängern. Bei Jugendlichen mit Essstörungen wird ein bestimmtes Gewicht angestrebt, für das auch rund drei Monate ins Land gehen können.
Wenn die Zeit im Sternenhimmel vorüber ist, müssen die Patienten und deren Familien die Empfehlungen der Experten ernst nehmen und anwenden, was sie in ihrer Zeit auf Station K7 gelernt haben. Denn eine Störung, die sich über Wochen, vielleicht Monate oder Jahre entwickelt hat, ist nicht in kurzer Zeit auszumerzen.
„Wunder gibt es nicht, aber wir erzielen in den meisten Fällen eine deutliche Verbesserung“, sagt Ute Benz. Es gehe vor allem darum zu verstehen, was zu den Beschwerden führe und wie man damit umgehen kann.
Die psychosomatischen Krankheiten nehmen kontinuierlich auch bei Kindern zu. Ute Benz macht dafür vor allem die immer höheren Anforderungen einer immer komplexeren Umwelt verantwortlich. „Es gibt weniger die Möglichkeit, Dinge ruhiger anzugehen. Alles ist von einer starken Geschwindigkeit geprägt, mit der manche Menschen nur schwer zurecht kommen“, so Benz.
Besonders reizvoll an der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist für die Bereichsleiterin das „ungeheuere Entwicklungspotenzial“. Manche Kinder seien so verunsichert, dasssie beim Vorbeilaufen stur auf den Boden starren. Nur wenige Wochen später seien sie teilweise aufgeweckt, stellten Fragen und würden Menschen ansprechen. Zu Zweidritteln werden Mädchen auf der Station behandelt. Sie sind laut Benz anfälliger für psychosomatische Krankheiten. Jungs tendierten bei Problemen hingegen eher zu Agressionen oder Vehaltensauffälligkeiten.
Seit fünf Jahren gibt es den Sternenhimmel bereits. Mitte 2017 wird die Station zusammen mit dem Rest des Kinderkrankenhauses in das neue Gebäude der OSK ziehen.