Schon die erste Zigarette kann ein Riesenfehler sein

220 Schülerinnen und Schüler sind beeindruckt von den Anti-Rauch-Vorträgen in der Oberschwabenklinik

Ravensburg – „Rauchen und Dampfen – Sucht statt Freiheit und Abenteuer“: Unter diesem Namen fanden am Mittwoch und Donnerstag zwei Vorträge am Ravensburger St. Elisabethen-Klinikum statt mit drei Chefärzten und insgesamt 220 Siebtklässlern der Real- respektive Gemeinschaftsschulen aus Ravensburg und Markdorf. Ein großes Raunen ging durch die Reihen der 13- bis 14-Jährigen, als Sie die Bilder von abgestorbenen Zehen sahen und ausgefallen Zähnen, aber: Es sind nicht nur Bilder, es ist die traurige Realität.

Warum man nicht rauchen soll? Weil man – auch wegen der unzähligen beigemischten Zusatzstoffe - sehr schnell abhängig werden kann und zum süchtigen Sklaven seiner Zigaretten wird. Weil man im Zweifel das Geld für eine schöne Eigentumswohnung dafür ausgibt und verliert, während Tabakunternehmen Milliarden verdienen. Vor allem aber: Weil man sehr krank werden kann, im Zweifel auch sterben, wie die Chefärzte Prof. Dr. Günther Wiedemann (Innere Medizin), Prof. Dr. Florian Seeger (Kardiologie) sowie Dr. Dominik Jost (Gefäß- und Wundzentrum) eindrücklich erklärten und belegten.

Keiner allerdings kennt die Gefahren des Rauchens besser als Ralf Kees aus Weingarten, er spürt sie am eigenen Leib. Der 57-jährige Berufskraftfahrer, derzeit Patient im EK, erklärte sich spontan bereit, von seinem Leben als Raucher zu erzählen. Das begann schon mit 12 in der Schule. „Wir waren sechs, sieben Jungs, ein oder zwei haben geraucht, da wollten es die anderen auch mal probieren, dazugehören, so tun, als ob man cool sei. Das Problem war auch: Zigaretten konnte man damals noch einzeln kaufen, sie kosteten 15 Pfennig, also kaufte ich mir ab und zu eine. Bald war ich abhängig, ich merkte schon beim Frühstück, mir fehlt was, mir fehlt der Kick, und habe die Zigaretten dann von einem 15-Jährigen bekommen, der in der Schule damit handelte und sie für 25 Pfennig weiterverkaufte. Ein Zigaretten-Dealer mitten in der Schule.“ Später habe ihm auch die Mutter, selbst Raucherin, Zigaretten gegeben, während er es vor dem Vater bis zum Alter von 18 verheimlichen konnte.

Inzwischen, zigtausende Kippen später, muss Ralf Kees, lange Jahre Torwart in der Fußball-Landesliga, dafür büßen. Vor ein paar Jahren wurde ihm wegen massiver Durchblutungsstörungen und verstopfter Arterien der kleine Zeh des linken Fußes abgenommen, kürzlich an Ostern musste der große Zeh des rechten Fußes dran glauben. An beiden Beinen wurde ihm ein Stent implantiert, das die Blutgefäße offenhalten soll.

Ralf Kees, der in Hochphasen 50 Zigaretten am Tag konsumierte, raucht dennoch weiter. „Ich möchte unbedingt damit aufhören, ich habe schon alles versucht, aber noch ist die Sucht stärker. Als ich zuletzt versuchte aufzuhören, war ich nach wenigen Tagen so nervös und gereizt, dass meine Frau persönlich rausgegangen ist und mir irgendwann wieder eine Schachtel gekauft hat. Sie hat es einfach nicht mehr ausgehalten mit mir.“ An die Schüler gerichtet appellierte Kees: „Fangt bitte gar nicht erst an mit dem Rauchen, bevor ihr nicht mehr aufhören könnt, so wie ich. Schon die erste Zigarette, nur ein einziges Mal probieren, kann ein Riesenfehler sein, den ihr später einmal zutiefst bereut.“

Das sah auch die 18-jährige Hanna Eisele aus Ravensburg so, deren Großeltern, beide starke Raucher, an Lungenkrebs respektive einem Lungenemphysem gestorben sind. Seit fünf Jahren, seit einem Praktikum in der Abteilung von Prof. Wiedemann, moderiert die Abiturientin am EK die Anti-Rauch-Vorträge, die zuletzt drei Jahre lang wegen der Corona-Pandemie ausgefallen waren.

Nun finden sie wieder statt, auch dank Prof. Günther Wiedemann, der vor 18 Jahren mit dem früheren Markdorfer Rektor Dr. Roland Hepting die Präventionskampagne initiierte. „Rauchen ist Kopfsache. Wehrt Euch gegen die Verlockungen und den Gruppenzwang. Rauchen ist nicht cool, es ist einfach nur dumm und hochgefährlich“, sagte Prof. Wiedemann, der die Vorträge im Ruhestand weiterführen will.

Das dürfte auch nötig sein, denn erstmals seit vielen Jahren ist die Zahl junger Raucher  2022 wieder angestiegen, und das gleich massiv. Unter den 14- bis 17-Jährigen verdoppelte sich der Anteil der Tabakraucherinnen und -raucher beinahe – laut einer Studie von 8,7 auf 15,9 Prozent. Laut Schulsozialarbeiterin Kathleen Starke von der Gemeinschaftsschule Ravensburg und Michael Hoffmann, dem Präventionsbeauftragten der Realschule Markdorf, hat das nicht nur mit Langeweile und Unsicherheit durch die Pandemie und die Lockdowns zu tun, sondern auch sehr viel mit den Shishas, die bei Partys geraucht werden, und den E-Zigaretten, die wie USB-Sticks aussehen und viele verführerische Geschmacksrichtungen besitzen - ähnlich der einst sehr beliebten Alkopops. Und die Neugier auf Zigaretten hat auch damit zu tun, dass manche Idole der jungen Leute, etwa einschlägige Rapper, plötzlich in der Öffentlichkeit wieder rauchen und davon schwärmen, wie cool und rebellisch ihre Qualmerei sei.

Ist sie aber nicht. „Rauchen ist nicht cool“, findet Prof. Wiedemann, „im Gegenteil: Wer nicht raucht, kann mehr leisten, auch im Sport, ist fitter, gesünder und sieht besser aus.“ Und dann zeigt er auf die vier Marlboro-Werbe-Männer, mit denen die Zigarettenmarke in der Werbung seit den 70er-Jahren so viel Erfolg hat. „Schaut sie euch an, die Marlboro-Men: Die vier Bekanntesten bereuten später bitterlich, dass sie rauchten. Alle starben viel zu früh an Lungenkrebs und anderen Lungenleiden.“

„Die Schüler und Schülerinnen, die die Vorträge an der OSK gesehen und gehört haben, werden künftig anders über das Rauchen denken“, glaubt Michael Hoffmann, der mit seinen Markdorfer Lehrerkollegen jedes Jahr in einer Projektwoche über die gängigsten Formen von Süchten aufklärt. Hoffmann sagt: „Wenn wir es mit solchen Aktionen schaffen, dass nur einer oder zwei unserer Schüler nicht mit dem Rauchen anfangen oder schnell wieder damit aufhören, dann hat es sich schon gelohnt.“