„Rücken“ ist die Volkskrankheit Nr. 1
Die schlechte Nachricht zuerst: Ob jemand Schwierigkeiten mit dem Rücken bekommt, hängt nicht davon ab, ob er einen Schreibtischjob hat oder nicht, Sport treibt, oder nicht. "Wer dort eine Schwachstelle hat, hat sie nun mal. Das ist wie mit Krampfadern", sagt Dr. Gerhard Staimer.
Die gute Nachricht: Meistens verschwinden die Beschwerden von alleine wieder. In die warme Badewanne liegen, sich massieren lassen, Gymnastik machen, vielleicht eine Schmerztablette nehmen - damit lässt sich das meiste wieder hinbiegen.
Es gibt jedoch auch Fälle, in denen es Sinn macht, einen Spezialisten aufzusuchen. "Wenn die Schmerzen die Lebensqualität eines Menschen stark einschränken, dann kann eine Operation durchaus sinnvoll sein", so Dr. Staimer. Unumgänglich ist eine OP, wenn der Patient bereits Taubheitsgefühle oder Lähmungserscheinungen hat, die von einer Einengung des Rückenmarkkanals oder einer Raumforderung, die die Nervenfasern bedrängen, hervorgerufen wurden. Möglich, aber selten, sind auch Metastasen (Absiedlungen eines Tumors), die die Schwierigkeiten verursachen. Es gilt laut Dr. Staimer: "Je früher der Patient zu uns kommt, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich Lähmungen zurückbilden."
Sofort operiert werden müssen sogenannte Wirbelsäulen- Notfälle, die sich in plötzlicher Inkontinenz äußern können. Hier verhindern eingeklemmte Nervenfasern, dass der Patient seine Muskeln an dieser Stelle nutzen kann.
Etwa 60 Prozent der Operationen haben mit dem durchschnittlichen Bandscheibenvorfall zu tun. Mit rund 120 OPs werden Wirbel bei denjenigen stabilisiert, die an Wirbelgleiten (Instabilität der Wirbelsäule) leiden. Die Erfolgsquote der "Rücken-OPs" liegt zwischen 80 bis 90 Prozent.
Ehe jedoch das Messer angesetzt wird, ist es Dr. Gerhard Staimer wichtig, den Patienten ganzheitlich zu betrachten. "Wir unterhalten uns lange mit dem Patienten, möchten seine Vorgeschichte kennen, die meistens viel mit seinen Beschwerden zu tun haben", sagt Dr. Staimer. So könne man etwa schnell feststellen, ob es sich um entzündliche oder Belastungsbeschwerden handle.
Über einen operativen Eingriff sollte ein Arzt tatsächlich nur dann nachdenken, wenn es sich nicht vermeiden lässt. So könne es etwa sein, dass die Bilder aus dem Kernspin und der Computertomographie eindeutig einen Bandscheibenvorfall zeigen, der Patient aber kaum Probleme hat. Dann wird auch nicht operiert. Denn für den Chefarzt steht fest: "Ich operiere keine Bilder, sondern Patienten".
Er warnt vor allzu schnellen Operationen an der Wirbelsäule. So seien z. B. allein in Hamburg die Wirbesäuleneingriffe innerhalb von zehn Jahren auf das Doppelte gestiegen, während im gleichen Zeitraum die Zahl der von Neurochirurgen operierten Patienten sogar geringfügig abnahm. Menschen mit ernsten Rückenbeschwerden sollten sich an Orthopäden und vor allem an Neurochirurgen halten. Und zur Beruhigung: Wer einmal an der Bandscheibe operiert wurde, hat ein sehr geringes Risiko, an der gleichen Stelle nochmals einen Bandscheibenvorfall zu bekommen.