„Macht die Ausbildung, probiert es – der Beruf erfüllt Euer Herz"

Zwei junge, frisch examinierte Pflegefachkräfte erzählen über Ihre Arbeit an der Oberschwabenklinik

Die 22-jährige Ravensburgerin Naomi Arifi und der 19-jährige Wilhelmsdorfer Lukas Duelli sind zwei von 43 Pflegefachkräften, die nach ihrer dreijährigen generalistischen Ausbildung bei der OSK geblieben sind. Sie arbeiten nun im St. Elisabethen-Klinikum in Ravensburg. Wir haben mit ihnen über ihren Weg gesprochen – und den Reiz und die Besonderheiten des Pflegeberufs.

 

OSK: Frau Arifi, Herr Duelli, warum sind Sie beide in die Pflege gegangen?

 

Lukas Duelli: Ich wusste schon immer, dass ich etwas mit Menschen machen will, etwas Soziales. Ich bin nicht der Typ, der nach der Schule erst mal auf Weltreise geht, ich wollte gleich etwas Sinnvolles tun. Mit 15, 16 habe ich ein einwöchiges BORS-Praktikum am EK gemacht und noch eines in der Altenpflege-Residenz in Heiligenberg. Ich fand das super, also sagte ich mir: Ich bewerbe mich auf gut Glück bei der OSK. So bin ich hier gelandet. Gleichzeitig arbeite ich nebenher noch im Altenpflegebereich in Wilhelmsdorf, wo ich während der Ausbildung auch einen Einsatz hatte.

 

Naomi Arifi: Ich habe nach der Realschule Abitur an der Edith-Stein-Schule gemacht, danach hatte ich anfangs kein klares Ziel. Aber meine Mutter war Altenpflegerin, privat war ich auch oft hier. Also sagte ich mir: Warum nicht Pflege? Es ist ein krisensicherer Job, das hat man gerade während der Coronazeit gesehen, als wir beide anfingen. So kam ich hierher, und bereue es kein Stück. Falls ich eines Tages noch ein Duales Studium in der Pflege anhängen will, kann ich das immer noch tun.

 

Duelli: Corona kam bei mir auch hinzu. Corona und die Berichte, dass die Pflege unterbesetzt ist, es einfach zu wenig Pflegekräfte gibt, das war der Anlass, dass ich mir sagte: Da tu ich was Gutes, da mache ich mit, da helfe ich mit.

 

Arifi: Die Gesellschaft braucht uns. Der Bettenmangel durch fehlende Pflegekräfte ist ja nicht erst seit Corona ein Problem. Es muss doch weitergehen in den Kliniken. Mit der generalistischen Ausbildung wurde im Prinzip ein guter Weg geöffnet, Kinder-, Alten- und Normalpflege wurden gebündelt, man kann als Pflegekraft nun überall Einblicke bekommen und überall arbeiten. Allerdings kommt die Pädiatrie ein wenig zu kurz, selbst mit Vertiefung und Spezialisierung arbeitet man nur sechs Monate in diesem Bereich, als Generalistin drei Monate, das ist sehr schade. Ich bin ja Pflegefachfrau mit der Vertiefung Pädiatrie, sozusagen die frühere Kinderkrankenschwester. Am Ende ist es natürlich offen, wofür man sich entscheidet oder ob man später sein Gebiet noch wechselt. Bei mir sind es nun doch die Erwachsenen geworden.

 

Und aus welchen Motiven haben Sie sich für Ihre Station entschieden?

 

Duelli: Ich muss vorwegschicken: Auch ich halte Generalistik im Prinzip für gut, das fachliche Verständnis füreinander, man sieht, dass beide ein hartes Brot haben, beide zu kämpfen haben, Alten- und Krankenpflege. Man erkennt die verschiedenen Settings, schießt nicht immer gegeneinander, das baut die Vorurteile ab. Allerdings hat man die generalistische Ausbildung nicht ganz zu Ende gedacht. Der Block Kinderkrankenpflege ist einfach zu kompakt und knapp, das Gebiet ist zu speziell, viel zu andersartig, um sie in eine solche Ausbildung zu integrieren.

 

Die Entscheidung, wo ich am Ende arbeiten soll, war unheimlich schwer für mich, ich hatte die Qual der Wahl: Im Prinzip hätte ich überallhin wechseln können, hatte von fast allen Stationen ein Jobangebot. Am Ende fiel die Wahl auf die A42, wo ich meine Prüfung hatte und es mir super gefällt – das Team, die Leitung, die mit mir auf Augenhöhe spricht und im Team integriert ist, und die Fachrichtung. Auf die Innere Onkologie kommen Patienten häufig mehrmals – wegen lang dauernder Therapien, oder wenn es ihnen plötzlich schlechter geht. Man kann deshalb eine Bindung zu Ihnen aufbauen und sie ein wenig näher kennenlernen. Gerade von Älteren kann man viel lernen, erfahren, viele sind dankbar und sehr wertschätzend, sie geben dir viel zurück. Es ist abwechslungsreich hier, es geht nie eine Minute vorüber, in der ich denke: Was könnte ich jetzt bloß tun? Das mag ich sehr gerne. Es gibt auch stressige Situationen, in der man an seine Grenzen kommt, aber auch die kann man meistern.

 

Arifi: Ich habe mich für die Notaufnahme entschieden, wegen der Abwechslung, der Vielfalt. Man trifft hier alles, junge und alte Patienten, jegliche Krankheitsbilder, es ist toll, hier Erfahrungen zu sammeln. So viele unterschiedliche Fälle, wie ich sie derzeit jeden Tag in der Notaufnahme sehe, werde ich in der Pflege nie wiedersehen. Und, ganz wichtiger Punkt. Ich war zwar nur zwei Wochen dort in der Ausbildung, aber das Team hat gleich mein Herz erobert, hat mich super aufgenommen, auf Augenhöhe, und unterstützt mich. Es ist nicht einfach für mich: Erst seit letztem Jahr dürfen Frischexaminierte sofort in der Notaufnahme einsteigen, ich bin erst die zweite in der OSK. Es war eine Überwindung und es ist nicht leicht, als junger Mensch in einer Notaufnahme zu arbeiten. Du hast einfach noch nicht das ganze Wissen und die akribische Beobachtungsfähigkeit wie Kollegen, die schon 20, 30 Jahre im Beruf sind, das kannst du nicht haben. Aber das Team hilft mir, die nehmen es einem nicht übel, wenn man etwas nicht weiß. Gerade in der Einarbeitung wird sich Zeit genommen, offene Fragen zu beantworten. Man wird auch von allen Seiten unterstützt, wenn man mal kurz den Überblick verliert ist, was schnell passieren kann.

 

Duelli: Man bekommt an der OSK wirklich die Chance auf ein gutes Einarbeiten. Ich hatte vier Wochen lang eine tolle Einarbeitung mit einem super Konzept und wurde vom Team und den Stationsleitungen dabei unterstützt.

 

Arifi: In der Notaufnahme geht die Einarbeitung gleich elf Wochen, man hat gleich drei Arbeitsbereiche, Chirurgie, Innere und Neurologie, und wird auch in der Triage eingelernt. Bis Januar bin ich jetzt in der Einarbeitung, und die Zeit braucht man auch. Unsere Stationsleiterin sagte mir bereits: Falls ich je mehr Zeit brauche, bekomme ich die auch.

 

Duelli: Hier wird wirklich keiner im Stich gelassen. Man bekommt auch keinen Druck von oben, dass man bis da und dann so weit sein muss.

 

Warum haben Sie sich für die Oberschwabenklinik als Arbeitgeberin entschieden? Sie hätten ja auch in andere Kliniken gehen können.

 

Duelli: Mir gefällt die Klinik auch, weil sie so groß ist und viele Disziplinen hat. In der Ausbildung habe ich viel gelernt und gesehen hier, und kann auch noch auf vielen Gebieten weiterlernen. Man macht hier alles an Diagnostik, hat alle Geräte, viel Technik, und unsere Praxislehrer haben uns auch Lust auf den Beruf gemacht. Sie haben etwas gemacht mit uns - haben erklärt, sich Zeit genommen, uns selbst machen lassen. Wie mein weiterer Weg aussieht, wird man sehen. Ich möchte viele Spezialisierungen machen und schauen, wofür mein Herz schlägt. Ich mag übrigens auch das Haus als solches sehr: die großen Zimmer, die geräumigen Bäder, hier ist alles zusammen. Wenn ein Patient auf eine andere Station muss, liegt das Ziel nicht weit, egal ob Intensivstation oder das Röntgen.

 

Arifi: Als Kind habe ich das Wort Krankenhaus noch mit etwas Negativem verbunden, mit Traurigkeit. Aber meine Familie, die Ausbildung und auch dieses Gebäude haben das geändert. Es ist lichtdurchflutet, offen, bietet verschiedene Einblicke, hat noch Orte zum Zusammensitzen, für einen Kaffee. Da stehen nicht immer die schlechten Nachrichten im Vordergrund. Auch durch unseren schönen Park hat man Abwechslung, Ablenkung. Und nicht zu vergessen: Das neue Parkhaus hat für große Erleichterung gesorgt - die nervige Parkplatzsuche hat damit ein Ende.

 

Was ist mit den Vorurteilen, die manche Skeptiker gegen die Pflege haben - Nachtschichten, Wochenendarbeit, körperliche Arbeit?

 

Duelli: Ich kenne nichts Anderes, ich kenne nur das Schichten. Klar arbeitet man manchmal, wenn andere frei haben, aber so ist es ja auch andersrum, und wenn man es gut organisiert und regelt, kann man trotzdem mit Freunden und Familie etwas machen.

 

Arifi: Die Stationsleitungen kommen sogar auf uns zu. Ich hatte zum Beispiel am Wochenende frei und konnte feiern gehen. Ich meine: Wir sind jung, wir können trotzdem noch unser Leben leben, auch wenn wir schichten. Auch wenn man am Wochenende mal früh-spät hat, kann man trotzdem noch rausgehen. Die Wege sind für uns doch immer noch offen.

 

Duelli: Wenn der Schichtplan nicht passt, gehen die Stationsleitungen auch auf uns ein und nehmen Rücksicht. Und im Zweifel wäre da ja auch noch unser Flexpool, wo du deinen Dienstplan selbst gestalten kannst. Dass auch von den Kliniken draußen immer mehr Leute zu uns kommen, zeigt, dass es bei uns fair zugeht und die OSK ein gutes Image hat. Was mich ein wenig stört ist, dass es unter Gleichaltrigen eher wenige gibt die sagen: Wow, cool, dass du das machst. Stattdessen hört man manchmal: Was, Pflege, das könnte ich nicht, oh Gott, wie schlimm.

 

Arifi: Ja, das sind die Menschen, die noch nie in einer Klinik waren, die Angst vor zu viel Nähe haben. Gerade die Ausbildung ist so schön: Man darf in der Pädiatrie in den ersten Minuten eines Menschen dabei sein, vom ersten Schrei an, bis zu den letzten Atemzügen auf anderen Stationen. Das geht wirklich unter die Haut, tatsächlich bekomme ich gerade schon Gänsehaut, allein vom Drandenken. Natürlich ist das psychisch nicht einfach - die erste Reanimation, der erste Verstorbene. Aber auch das wird im Team aufgefangen. In Nachbesprechungen wird gefragt, ob jemand Redebedarf hat, ob jemand Hilfe braucht. Dieses Klischee, Pflegekräfte putzen nur die Hintern von Patienten, ist einfach nur dumm und falsch. Pflege ist so viel mehr als Körperpflege. Wir sind Seelsorger, wir sind Servicekräfte, wir legen Infusionen, nehmen Blut ab, manchmal sind wir auch der beste Freund des Patienten, weil er sonst niemanden hat und vor Einsamkeit zerfließt. Ich kann nur jedem raten: Macht diese Ausbildung, probiert es. Wenn ihr einmal drin seid, erfüllt es euer Herz.

 

Duelli: Man spürt es sehr schnell: Kann ich‘s mit Menschen oder nicht. Bei vielen Freunden wäre ich überzeugt, sie könnten es und es würde ihnen Spaß machen. Es gibt ja viele Einsatzmöglichkeiten, da ist für jeden etwas dabei: ambulanter oder stationärer Klinikbereich, Altenheim oder ambulante Pflege.

 

Wie war das eigentlich, die Pflegeausbildung in dieser nervösen, hektischen und ängstlichen Coronazeit zu beginnen?

 

Duelli: Ehrlich gesagt: vor allem zu Beginn sehr seltsam. Ich wusste lange Zeit gar nicht, wie meine Kollegen ohne Maske aussehen.

 

Arifi: Gerade im ersten Lehrjahr, als wir Homeschooling hatten, war es schwierig, auch die ersten Versuche mit Maske in der Klinik. Man war sich noch fremd.

 

Duelli: Ich fand auch das Arbeiten schwierig mit der Maske. Manche Kinder und ältere Patienten hatten spürbar Angst vor uns.

 

Arifi: Auch für die Menschen mit Hörproblemen war das schlimm, die lesen ja auch viel von den Lippen ab. Es gab einige Hindernisse, aber: Ich finde, wir haben sie gut, sogar sehr gut gemeistert. Und ich hoffe, wir haben Corona nun endgültig und für alle Zeit überstanden. Ich habe hier jedenfalls mit meinem ganzen Herzen bei der Arbeit und habe noch keinen einzigen Tag bereut.

 

Duelli: Ich auch nicht. Wenn man jeden Abend schlafen geht mit dem Gefühl, dass sich der Tag gelohnt hat, dann weiß man, dass man den richtigen Beruf gewählt hat. Ich würde mir nur eines gerne wünschen: Dass die Pflege von Menschen in der Gesellschaft und in der Politik endlich die Anerkennung bekommt, die sie verdient. Ohne Menschen, die diesen Beruf nicht nur ausüben, sondern auch gut, professionell und mit Leidenschaft ausüben, wird die Zukunft unserer Gesellschaft ziemlich schwierig werden.