„In einem Krankenhaus kann man unglaublich vielen Menschen gleichzeitig helfen“

Svenja Hildebrand, Abteilungsleitung des Sozialdienstes an der Oberschwabenklinik, über die Arbeit ihres Teams

Ravensburg/Wangen – Seit einem Jahr ist Svenja Hildebrand Abteilungsleitung des Sozialdiensts der Oberschwabenklinik. Die gebürtige Stuttgarterin hat ihren Bachelor und Master in Sozialer Arbeit absolviert mit dem Schwerpunkt Projekt-, Prozessentwicklung und Forschung und war zuletzt Sozialdienstleiterin in Stuttgart-Bad Cannstatt im Krankenhaus vom Roten Kreuz, ehe sie im Juli 2023 zur OSK wechselte.

 

Das Organigramm der Abteilung, in der 26 Mitarbeiterinnen tätig sind, hat sich durch die Ankunft von Svenja Hildebrand verändert. Die Abteilung heißt nun Sozialdienst und ist unterteilt in drei Bereiche: die Sozialberatung (stationäre Pflege, Rehabilitationen, Palliativversorgung Hospiz/SAPV, onkologische Beratung, psychosoziale Beratung), die Pflegeüberleitung (ambulante Pflege, Pflegehilfsmittel, Intensivpflege) und in den Bereich Casemanagement, der alle Bereiche abdeckt ausgenommen die onkologische Beratung. In Wangen übernimmt das Sozialdienst-Team alle genannten Aufgaben gemeinsam. Zuletzt kamen noch Mitarbeitende hinzu für das neue Projekt Sozialberatung in der Notaufnahme und Beratung von nicht-versicherten Patienten - Aufgaben, die zu einer Entlastung der Notaufnahme führen und Kosten reduzieren sollen.

 

Das Profil ihrer Abteilung sei nun geschärft, sagt Svenja Hildebrand: „Sozialdienst bedeutet: Wir sind die Fachberatung, die Fachinstanz, die nach Absprache und Abklärung mit allen Beteiligten – Ärzten, Therapeuten, Pflege - entscheidet: Wohin geht es mit den Patientinnen und Patienten nach dem Krankenhaus? Wir kennen die verschiedenen Optionen, wir organisieren die Weiterversorgung und setzen sie um. Natürlich liegt die Entlasshoheit bei den Ärzten, das bedeutet, den konkreten Tag bestimmen sie – aber wir übernehmen die Organisation der Nachsorge.“

 

Mannigfaltige Berufserfahrung in etlichen Bereichen der Sozialen Arbeit (von der Arbeit mit verhaltensauffälligen jungen Männern bis zum Jugendamt und Jobcenter) sammelte Svenja Hildebrand bereits während ihres Studiums: „Ich kenne dadurch die Versorgungslandschaft und die Beratungsstrukturen rund um Krankenhäuser bestens. Bei Patientinnen und Patienten mit großen Schwierigkeiten – etwa Alkoholproblemen, Jugendamtthemen, Obdachlosigkeit, extreme Armut, fehlende Krankenversicherung - hilft mir das in der Arbeit hier extrem“, sagt Svenja Hildebrand.

 

Aufgrund der gesundheitspolitischen Entwicklung seien Kliniken inzwischen das mit Abstand größte Versorgungssystem, erläutert Svenja Hildebrand. „Das gilt insbesondere für nicht funktionierende Familiensysteme, und damit meine ich Fälle wie: Kinder kümmern sich nicht um kranke oder pflegebedürftige Eltern.“ Auch die Zahl der nicht versicherten Menschen sei in den letzten 20 Jahren extrem angestiegen, vor allem durch die Insolvenz von Selbständigen. Folge für den Sozialdienst: Er ist mehr denn je gefordert. „In einem Krankenhaus bündeln sich die sozialen Probleme“, sagt Svenja Hildebrand. „Das heißt aber auch: Man kann hier unglaublich vielen Menschen gleichzeitig helfen. Ein funktionierender Sozialdienst, der Menschen, die teils nicht mehr weiterwissen und gänzlich unterversorgt sind, gut weitervermittelt und unterbringt, ist für Krankenhäuser extrem wichtig. Wenn es ihn nicht gibt, würden die Menschen hier festhängen, zu ihrem Nachteil und auch zu unserem, finanziell wie medizinisch. Diese Menschen belegen dann Betten, die andere dringender bräuchten.“

 

Bei der Weitervermittlung und -versorgung der Patienten brauche man viel pädagogisches Geschick, sagt Svenja Hildebrand. „Sozialdienst hat viel mit sozialer Arbeit mit Menschen und auch Empathie zu tun, mit reiner BWL ist man hier falsch und kommt auch nicht weiter. Man muss die Dinge so regeln, dass die Würde dieser Menschen erhalten bleibt und sie in gute Hände kommen. Und: dass das finanzielle Interesse der Kliniken, die für uns und das ganze System lebenswichtig sind, ebenso gewürdigt wird.“ Inzwischen habe der Sozialdienst an der OSK auch die Möglichkeit, Kooperationen mit anderen Institutionen einzugehen, etwa mit Reha-Einrichtungen oder Pflegeheimen mit reservierten Plätzen. „Das bringt uns immens weiter und gibt uns neuen, dringend benötigten Spielraum.“

 

Svenja Hildebrand hat an der OSK einiges verändert. So ist inzwischen jeweils ein Mitarbeiter für eine ganze Station zuständig - inklusive Vertretungssystem. „Die Stationen haben unsere Pläne, sie kennen die Ansprechpartner. Wir haben ein verlässliches, transparentes System und können damit Ärzten und Pflegekräften in diesen nichtmedizinischen, sozialproblematischen Themen viel Stress abnehmen, so dass sie sich wieder auf die eigentliche Arbeit konzentrieren können“, sagt sie. „Ein Krankenhaus ist keine Erziehungs- oder Familienhilfsinstanz, das kann es nicht leisten, auch wenn wir politisch in diese Rolle gedrückt werden. Aber: Der Sozialdienst kann zumindest bei der Organisation helfen und auch bei Angstattacken und Nervenzusammenbrüchen psychosozial beraten, auch im palliativen Bereich.

 

Zudem sei der Sozialdienst Kraft seines Auftrags eine entscheidende Abteilung, die rechtliche Veränderungen und ihre Auswirkungen auf das Versorgungssystem täglich prüfe und auch weitergebe: „Wir sind mit allen Bereichen in der OSK verknüpft und wissen, dass es nur zusammen geht. Immer noch gibt es zuweilen veraltete Annahmen in Kliniken über rechtliche Grundlagen und Strukturen, die im Prozess des Entlassmanagements zu einigen Diskussionen zwischen meinem Team und den anderen agierenden Berufsgruppen führt“, sagt Svenja Hildebrand. Eine enge Kooperation sei deshalb grundlegend. „Wir müssen wissen, wie die Abteilungen in der OSK funktionieren, und diese sollten auch wissen, was wir können und wie wir funktionieren. Deshalb ist es entscheidend, dass wir uns regelmäßig an einen Tisch setzen und wir als Sozialdienst präsent sind, etwa mit Sozialdienst-Visiten.“

 

Eines ist für Svenja Hildebrand bei ihrer Arbeit entscheidend: „Dass alle Berufsgruppen an der Oberschwabenklinik wissen, dass sie sich jederzeit an uns wenden können.“