Hilfen am Lebensende

Fortschritte in der Medizin führen zu höheren Lebenserwartungen. Einher gehen damit häufigere und auch längere Phasen schwerer Erkrankung. Zugleich lockern sich die sozialen Bindungen. Zwei Entwicklungen, die Menschen am Ende ihres Lebens betreffen können. „Es ist eine neue Art menschliche Not entstanden“, sagte Bischof Dr. Gebhard Fürst bei einem Forum für Mediziner im Krankenhaus St. Elisabeth Ravensburg. Der Umgang mit Schwerstkranken und Sterbenden gehöre zu den „größten Herausforderungen des Lebens“.

"Hilfen am Lebensende - ethische und medizinische Aspekte" lautete das Thema des Bischofs der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Verschiedenen Einflüsse seien dabei im Blick zu behalten, führte Dr. Sebastian Wolf, Geschäftsführer der Oberschwabenklinik, einleitend aus: Welche Werte gelten für den einzelnen? Welche Wertvorstellungen finden in der Gesellschaft Akzeptanz? Wie ist die Rechtslage? Wie lautet die Meinung der Kirchen? Daraus könnten unterschiedliche Positionen resultieren, für die es schwer sein kann, auch nur den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden.

Zufrieden äußerte sich der Bischof mit dem Nenner, auf den sich die Mehrheit im Bundestag beim Beschluss zur Sterbehilfe verständigt hat. Das Verbot der gewerbsmäßigen Beihilfe zur Selbsttötung sei ein "starkes Zeichen für den Lebensschutz und für ein Sterben in Würde". Der Beschluss schütze ältere Menschen vor einem zunehmenden sozialen Druck, vorzeitig aus dem Leben zu scheiden. Ärzte würden vor dem Verlangen von Patienten geschützt, Beihilfe zum Suizid leisten zu müssen.

Wobei der Bischof nicht verkennt, welchen Nöten Sterbende ausgesetzt sein können: "In der Einsamkeit des Sterbens spiegelt sich die Einsamkeit des Lebenden wider." Medizin, Staat und Kirchen seien gefordert, Konzepte für ein humanes Sterben und für eine ganzheitliche Begleitung Schwerstkranker zu fördern. Es gehe um Beistand im Sterben anstatt der Hilfe zum Sterben. Ungemein wichtig seien die Hospizbewegung und die ambulante Palliativversorgung.

Es war nach 2008 und 2012 der dritte Dialog, den Bischof Dr. Fürst mit Ärzten aus der ganzen Region am EK führt. Tradition ist das Co-Referat eines Arztes. Privatdozent Dr. Bernhard Berger, Chefarzt der Klinik für Radioonkologie, widersprach in einigen Punkten der vielfach herrschenden Meinung. Das pauschale Urteil "mehr sprechender Arzt, weniger Technik" lässt Dr. Berger nicht gelten: "Eine gute Medizintechnik steht nicht im Widerspruch zu einer guten Palliativmedizin und Sterbebegleitung." Gerade sein Fach, die Strahlentherapie, biete viel bessere Möglichkeiten als früher, um Schmerzen lindern oder kontrollieren zu können.

In der von Dr. Martina Gropp-Meier, Chefärztin der Frauenklinik am EK, geleiteten Diskussion redeten mehrere Teilnehmer einer Palliativmedizin im Sinne von Symptomkontrolle anstatt "letzter Abzweigung" das Wort. "Kurative Medizin und Palliativmedizin werden zu selten parallel angeboten", beklagte Dr. Gerhard Fischer, der Leiter des Onkologischen Zentrums am EK. Dabei habe die Palliativmedizin große Fortschritte gemacht, stellte PD Dr. Berger fest. Im Grunde müsse jeder Arzt palliativmedizinisch handeln. Die junge Arztgeneration werde in dieser Hinsicht ganz anders ausgebildet, so dass sich in Zukunft einiges zum Besseren ändern könnte. Eine Auskunft, die Bischof Dr. Fürst gleichermaßen erfreut wie überrascht zur Kenntnis nahm.

Vehement betonte Dr. Berger den Stellenwert der Speziellen Ambulanten Palliativversorgung (SAPV), wie sie der Dienst Clinic Home Interface anbietet. "Die SAPV-Versorgung ist das Mittel gegen den Suizid schlechthin", meinte der Chefarzt. Allein die strukturierte Versorgung eröffne dem Schwerstkranken noch einmal neue Perspektiven. Eine Aussage, die der Bischof voll unterstreichen konnte.