Festveranstaltung 20 Jahre Oberschwabenklinik

Auf Festreden und Grußworte hat die Oberschwabenklinik anlässlich ihres 20-jährigen Bestehens bewusst verzichtet. Stattdessen hat sie ihre Festveranstaltung mit drei Talkrunden gleichermaßen locker wie vielfältig gestaltet. Die Gründungsgeschichte, die Entwicklung und die Zukunft standen gleichermaßen im Fokus. „Unsere Gäste sind heute so vielfältig wie es in 20 Jahren die Geschichte der OSK gewesen ist“, eröffnete Geschäftsführer Dr. Sebastian Wolf die Veranstaltung vor über 150 geladenen Teilnehmern.

Gesprächsrunde: Die Gründung mit Landrat a.D. Kurt Widmaier, Oberbürgermeister a.D. Hermann Vogler, Gerhard Segmiller, Moderation Landrat Harald Sievers

Gesprächsrunde: Kirchlich oder kommunal wird zu kirchlich-kommunal mit Prof. Dr. Bernd Steidle, Prof. Dr. Andreas Grüneberger, Luzia Schmid, Ernst Schwartz, Vorsitzender Gesamtbetriebsrat

Gesprächsrunde: OSK im Schwabenalter – Perspektiven bis zum 40. Geburtstag mit Dr. Martina Gropp-Meier, Dr. Thomas Sapper, Prof. Dr. Florian Seeger, Sven Winter, Dr. Sebastian Wolf, Geschäftsführer

Schlusswort von Oberbürgermeister Dr. Daniel Rapp

Musik von "DIE BRASSERIE"

Durch den Abend führte als Moderator Landrat Harald Sievers, der Vorsitzende des OSK-Aufsichtsrates. „Wann war erstmals von der Gründung einer Oberschwabenklinik die Rede?“, fragte er die Zeitzeugen aus der Anfangsphase. Der  Ravensburger Alt-OB Hermann Vogler konnte sich aufs Jahr genau gar nicht festlegen. Vieles sei Mitte der 90er-Jahre und davor zusammengekommen: der Krankenhausbedarfsplan des Landes, die Schließung benachbarter kleiner Krankenhäuser in Markdorf, Mengen, Altshausen oder Meersburg und schließlich das von der Beratungsfirma Gebera erstellte Gutachten für den Landkreis Ravensburg. Wir haben alle gespürt, dass es eine Zerreißprobe wird“, fasst Vogler die damalige Stimmung zusammen.

Öffentlich ist bisher kaum bekannt gewesen, dass der OSK-Vertrag zwischen dem Landkreis, der Stadt Ravensburg und dem Kloster Reute just an Heiligabend 1996 unterschrieben und nach Stuttgart gefahren worden ist. Ein „Christkindle“ habe man noch in der Landeshauptstadt abgeliefert, habe der damalige Landrat Dr. Guntram Blaser gescherzt. „Es war eine gute Entscheidung“, lobt  Hermann Vogler 20 Jahre danach die Gründung der OSK. Über all den Schwierigkeiten habe man auch immer Solidarität erfahren. „Was hätte uns Besseres passieren können?“

„Es gab damals auf Bundesebene einen großen Paradigmenwechsel in der Gesundheitspolitik“, stellte Gerhard Segmiller, als Erster Landesbeamter Stellvertreter von Landrat Dr. Blaser und heute Abteilungsleiter im Sozialministerium, die Entwicklungen im Landkreis in einen größeren Zusammenhang. Horst Seehofer hatte damals das Gesundheitsressort im Bund übernommen, „die Gesundheitspolitik geriet auf eine ganz neue Schiene“. Für die Krankenhäuser wurden die Fallpauschalen als Ersatz für die Tagespflegesätze auf den Weg gebracht. „Man wollte einen Strukturwandel auslösen, das war politisch gewollt“, blickte Segmiller zurück. Hinzu kam eine Welle, die aus dem von Ronald Reagan regierten USA bis nach Europa schwappte: Staatliches Engagement wurde kritisch betrachtet, Privatisierung mit großem Wohlwollen. Es seien etliche Briefe privater Krankenhausbetreiber mit den Ansinnen, die Häuser im Landkreis zu übernehmen, beim Landrat eingegangen.

Warum wurde nicht auch das Weingartener Krankenhaus 14 Nothelfer 1997 Teil des OSK-Verbundes, fragte Harald Sievers die Gründungsväter. „Das ist sehr bedauerlich und eine Tragik im Schussental“, antwortete Hermann Vogler. Die Stadt Weingarten habe das Angebot zum Beitritt in die OSK nicht angenommen. „Die Verbundlösung wäre vernünftiger gewesen“, so Vogler. Die heutige Konkurrenzsituation sei nicht gut. „Die Politik im Raum Ravensburg-Friedrichshafen muss aufeinander zugehen“, forderte der Alt-OB.

Kurt Widmaier, ab 1999 Nachfolger von Dr. Guntram Blaser als Landrat, war vorab klar, dass die OSK ein großes Thema für ihn sein würde. „Aber dass es so knüppeldick kommt, hätte ich nicht gedacht.“ Sehr schnell habe er gemerkt, dass die Schließungen der kleinen Geburtshilfen Wunden aufgerissen hatten. Hinzu kam ein sich verschärfender Konflikt zwischen der kirchlichen und der kommunalen Seite. Die St. Elisabeth-Stiftung war der Meinung, das Defizit der OSK rühre aus den kleinen Häusern des Landkreises, der handeln müsse. Politisch sei das kurz nach der Jahrtausendwende nicht durchsetzbar gewesen, so Widmaier. Die Stiftung drohte mit der Kündigung eines Darlehens, „es brannte die Hütte“. Dabei habe der Konflikt zwischen Landkreis und Stiftung nichts mit den Ordensfrauen zu tun gehabt. Zu den Schwestern von Reute seien die Beziehungen immer hervorragend gewesen.

Der Streit um die OSK mündete 2005 in die Übernahme des EK und der Gesellschafteranteile der Stiftung durch den Landkreis. Die Entscheidung im Kreistag fiel bei nur einer Gegenstimme. Rottenburg und anderen Informationen zufolge sogar Rom mussten eingeschaltet werden. Dass die Stiftung zum Verkauf bereit war, erfuhr Widmaier über das Handy während einer Ausschusssitzung. Ihm entfuhr ein entzückter Ausruf. „Ist was?“, habe der damalige Grünen-Fraktionschef Siegfried Spangenberg gefragt. Widmaiers Antwort: „Wir machen weiter mit TOP 5.“

Wie die Gründung und die Entwicklung der OSK aus Sicht der Belegschaft erlebt wurde, fragte Landrat Sievers Menschen, die 1997 in den Häusern tätig waren. „Wir hatten Sorge, dass wir privatisiert werden“, berichtete Prof. Dr. Bernd Steidle, damals Chefarzt der Radiologie im EK. Froh sei man gewesen, dass es zu einem „Mix kommunal-kirchlich“ gekommen sei. Die christliche Tradition habe sich erhalten: „Wir nehmen jeden Patienten.“ Es müsse dabei bleiben, dass die Versorgung an erster Stelle steht.

„Wir haben keine Angst vor der OSK-Gründung gehabt“, bestätigte Prof. Dr. Andreas Grüneberger, ehemaliger Chefarzt der Gynäkologie in Wangen. Ein wenig habe man sich umgewöhnen müssen. Unter den Kreiskrankenhäusern sei Wangen das größte gewesen, Im OSK-Verbund war man nur noch das zweitgrößte Haus hinter dem EK. Zu den Kollegen in Ravensburg habe schon zuvor in der täglichen Zusammenarbeit ein sehr guter Kontakt bestanden. Mit der Gründung des Brustzentrums Oberschwaben habe es ein gemeinsames Projekt gegeben. Zwischen den Krankenhäusern die Synergien zu nutzen, sie nur sinnvoll gewesen.

„Veränderungsprozesse lösen Sorgen aus. Viele Sorgen waren auch bei uns da“, berichtete Ernst Schwartz, 1996 in der Mitarbeitervertretung am EK und heute Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates. Wichtig seien der Personalüberleitungsvertrag und später der Haustarifvertrag gewesen. Die Beschäftigten hätten die Sicherheit gehabt, dass sie durch den Verbund nicht weniger verdienen werden. Zwei Mal mussten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dennoch auf Geld verzichten, um dem Unternehmen aus den Krisen zu helfen. 2005 und 2006 habe das nicht wirklich weitergeholfen, da entscheidende Maßnahmen nicht ergriffen worden seien. Aktuell sei das Geschehen wesentlich tiefgreifender. Ein positives Signal an die Belegschaft sei es, dass der auf den Gehaltsverzicht ohne Freizeitausgleich entfallene Teil des Tarifbeitrags komplett zurückbezahlt wird.

Über eine schwierige Phase der OSK-Geschichte, die Schließungen von Leutkirch und Isny, erzählte Luzia Schmid, Leiterin Pflege- und Prozessmanagement in Wangen. Sie war für die Mitarbeiter an den kleinen Standorten zuständig. Über 100 Einzelgespräche habe sie geführt. Auch über persönliche Schicksale, die einen selbst berührt hätten. „Es war sehr emotional“. Dabei sei Isny bereits 2002 auf der Kippe gestanden. 16 Jahre lang hätten die Beschäftigten mit immer neuen Konzepten ein „Hü und Hott“ erfahren. Dann seien die Entscheidungen sehr schnell gefallen. Ängste seien gewachsen. „Mittlerweile haben viele ihren Frieden geschlossen. Aber es kommt auch noch immer wieder hoch“, berichtete Schmid.

Vom Blick zurück zum Blick nach vorne. Wie die  die OSK nach weiteren 20 Jahren mit dem Erreichen des „Schwabenalters“ aufgestellt sei wird, wollte Harald Sievers in der dritten Talkrunde des Abends wissen. Dr. Martina Gropp-Meier, Chefärztin der Frauenklinik am EK, nannte als große Stärke der OSK die Interdisziplinarität. „Wenn wir zusätzlich einen Chirurgen oder einen Internisten brauchen, dann ist er da.“ Die Chefärztin wies aber auch auf Probleme hin. Etwa auf die Unterfinanzierung der Geburtshilfe. Sie sieht die Gefahr, dass bei anhaltendem Kostendruck weitere Zentralisierungen drohen. Daneben erwartet sie große Veränderungen durch die Digitalisierung: „Viel mehr Dinge werden von Maschinen erledigt werden als wir uns das heute vorstellen können.“

Die oft gehörte Annahme, dass die „sprechende Medizin“ ein Auslaufmodell ist, will Dr. Thomas Sapper, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin am Krankenhaus Bad Waldsee, nicht bestätigen. „Ich sehe mich als Generalisten“, sagt er. Viele Patienten, die zu ihm kommen, leiden nicht nur an einer Krankheit, sondern an mehreren. „Wir haben den gesamten Menschen im Blick.“ Dr. Sapper ist überzeugt davon, dass dies bei aller Technisierung der Medizin auch künftig notwendig ist: „Auch der Generalist hat Zukunft.“ Im Übrigen sieht er den Landkreis bei der Krankenhausversorgung exzellent aufgestellt.

Prof. Dr. Florian Seeger, Chefarzt der Klinik für Kardiologie am EK Ravensburg, pflichtet ihm bei, dass die Kommunikation zwischen Arzt und Patient wichtig bleiben wird. „Das Persönliche wird nie aussterben!“ Das gelte auch für ein Fach wie die Herzmedizin, das in seinen Spezialisierungen sehr technisch geprägt ist. In Zukunft werde man viele Erkrankungen ebenfalls interventionell behandeln können, wozu heute noch der Herzchirurg notwendig ist. Die Telemedizin werde an Bedeutung gewinne. Aber nicht bei Behandlung akuter Fälle, sondern bei der Betreuung chronisch Erkrankter.

Für die Pflege erwartet Sven Winter, Leiter Pflege- und Prozessmanagement am EK und in Bad Waldsee, dass die an Hochschulen ausgebildeten Kräfte nicht die Fachkräfte verdrängen werden, die aus der herkömmlichen dualen Ausbildung kommen. Es werde ein Nebeneinander geben. Die Pflegekraft der Zukunft werde einen höheren Grad an Spezialisierung benötigen, was wiederum Akademisierung bedeuten kann. Daneben werde die Individualität des Arbeitsumfeldes immer wichtiger. Es gehe um Teilzeit, um Angebote zur Weiterbildung und das Auskommen im Team.

Drei Wünsche ließ Landrat Sievers Dr. Sebastian Wolf für die Zukunft des Unternehmens frei. Der Geschäftsführer setzte an erste Stelle, dass möglichst viele, die er heute im Unternehmen trifft, auch in 20 Jahren noch dabei sind. Als zweites wünscht er sich Strukturen im Gesundheitssystem, mit denen sich systematische Lösungen aus einem Guss gestalten lassen. Als drittes hofft er, dass sich Qualität durchsetzt. Die kommunal getragenen Häuser der Region müssten näher zusammenrücken, dann hätten sie gemeinsam eine „super Basis“. Krankenversorgung, Pflege und Medizin seien Werte an sich.

Harald Sievers bekannte sich ausdrücklich zur kommunalen Trägerschaft für die OSK. Natürlich sei die Krankenhauswelt keine perfekte. Aber die OSK sei medizinisch und  baulich so gut aufgestellt wie noch nie in ihrer 20-jährigen Geschichte. Wirtschaftlich würden die Sanierungsmaßnahmen greifen. Oberbürgermeister Dr. Daniel Rapp dankte in seinem Schlusswort namens der Menschen in der Stadt allen Beschäftigen der Oberschwabenklinik für die Arbeit, die sie jeden Tag für die Patienten leisten. In der Kommunalpolitik gehe es oft um wichtige Dinge. Aber in einem Krankenhaus gehe es jeden Tag um Existenzielles für viele kranke Menschen.