„Das Lebensgefühl von Adipositas-Patienten ist nach einer Operation oft wie verwandelt“

Das Chirurgie- und Ernährungsteam am St. Elisabethen-Klinikum erklärt seine ganzheitliche Betreuung von Adipositas-Erkrankten

Ravensburg – Das mit dem Abnehmen ist so eine Sache. Keiner weiß das besser als Dr. Franz Immler, der am St. Elisabethen-Klinikum in Ravensburg schwer adipöse Patienten berät, operiert und täglich ihrem Leidensdruck begegnet. „Starkes Übergewicht ist schwer wegzubekommen, weil unsere Körper dafür aufgrund jahrtausendelanger karger Lebensbedingungen und mangelndem Nahrungsangebot nicht eingestellt und konzipiert sind“, sagt Dr. Immler. „Unser Stoffwechselsystem ist auf Speicherung geeicht, nicht auf Abbau, deshalb ist es heute, in einer Zeit von Nahrungsüberfluss und mangelnder Bewegung, ganz schwer, überflüssige Pfunden wieder zu verlieren. Diäten begreift unser Körper im Prinzip als Alarmsignal, die Kilos kommen danach rasant wieder zurück. Ich sage immer: Jede Diät ist gut, man muss sie nur ein Leben lang machen, denn: Wir essen schlicht zu viel und verbrauchen zu wenig. Deshalb nehmen wir zu.“

 

Schwer betroffene Patienten werden im zertifizierten Adipositas-Kompetenzzentrum der Oberschwabenklinik, das Prof. Dr. Karolin Thiel, Chefärztin für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie in Ravensburg verantwortet, ganzheitlich betreut – und, bei entsprechender Indikation auch operiert. Streng genommen spricht man bereits bei einem Body-Mass-Index von mehr als 30 von einer Krankheit, Adipositas beträfe demnach jeden vierten Menschen in westlichen Industrieländern. Operativ behandeln lassen können sich allerdings nur Patienten mit einem BMI von mehr als 40 – oder mit einem BMI von über 35, falls die Betroffenen massive Begleiterkrankungen haben (etwa Diabetes Typ II, Bluthochdruck). Und beide Gruppen auch nur dann, wenn „alle konservativen Alternativen ausgeschöpft sind“, wie Dr. Immler, Bereichsleiter des Zentrums, erklärt. Wer es also nach spezifischen medizinischen Untersuchungen trotz einer begleiteten Ernährungsberatung und -umstellung und trotz psychologischer Beratung nicht schafft, sein Gewicht dauerhaft zu senken, sollte über einen Eingriff nachdenken, den Spezialist Dr. Immler und die Ärzte am EK entweder über die Konstruktion eines Schlauchmagens oder über einen Magenbypass vornehmen.

 

Der Experte verweist darauf, dass großes Übergewicht oft schambesetzt ist und auch die Psyche massiv belastet. „Adipöse Menschen haben häufig Zusatzerkrankungen und leiden an einer extrem geringen Lebensqualität. Sie können sich kaum noch bewegen, kaum noch aktiv etwas tun, was ihnen Freude bereiten könnte“, sagt Dr. Immler. Eine Operation reduziere nicht nur das Gewicht um im Schnitt 50 Kilogramm und heile die Zusatzerkrankungen, sie wirke in vielen Fällen auch wie ein Turbo für das Selbstwertgefühl: „Die Patienten, die zu mir in die Sprechstunde kommen, sind danach oft nicht wiederzuerkennen. Sie strahlen, erzählen mit leuchtenden Augen über ihre Aktivitäten, haben ein völlig neues Selbstbewusstsein und Lebensgefühl. Sie wirken wie verwandelt.“

 

Damit das so bleibt, hat die OSK ein neues Ernährungsteam (Nutrition Support Team) in Ravensburg formiert, das sich vor und nach der Operation um die Aufklärung und Beratung der Adipositas-Patienten kümmert. Die Ernährungstherapeutinnen Michelle Beutel und Klara Steiner erläuterten jüngst bei einem medizinischen Vortrag des Adipositaszentrums in Ravensburg die Betreuung im EK und ihre dezidierten Ernährungsempfehlungen. Auch stationär und in der Nachsorge werden die Patienten vom Nutrition Support Team betreut, um nachhaltige, langanhaltende Erfolge zu erzielen, die Nährstoffzufuhr zu optimieren sowie möglichen Beschwerden entgegenzuwirken.

 

Denn natürlich hat eine Magen-Operation körperliche Folgen, wie Dr. Andera Salama-Müller, Leiterin des Ernährungsteams, erläutert. „Die Patienten müssen lernen, sich dauerhaft angepasst und gesünder zu ernähren“, sagt die Oberärztin, also: hochkonzentrierte und fettreiche Lebensmittel zu vermeiden, sich eiweiß- und vitaminreich zu ernähren, eine erneute Gewichtszunahme zu verhindern und vor allem: zwingend die wichtigsten Mineralien (insbesondere Eisen), Vitamine und Spurenelemente zuzuführen, was vor allem bei einer Magen-Bypass-Operation erforderlich ist. Bei einer Schlauch-Magen-OP gelte es, sich an das geringere Magenvolumen zu gewöhnen.

 

„Hunger und Appetit sind nach einer Operation anfangs wie verschwunden, kommen aber nach drei bis zwölf Monaten wieder. Prinzipiell ist es wichtig, essen und trinken zu trennen, langsam zu essen und beim ersten Gefühl der Sättigung aufzuhören“, sagt Dr. Salama-Müller. „Patienten sollten sich regelmäßig beraten, die wichtigsten Laborwerte kontrollieren lassen und ihren Lebensstil grundsätzlich verändern. Dann bekommen sie die Adipositas-Erkrankung langfristig in den Griff und können ihr neues Lebensgefühl auch dauerhaft genießen.“